
Schluss mit fruchtig
In der Wachau brauchen Veränderungen stets ein wenig länger. Mit Erich Machherndl macht nun ein couragierter Winzer mit ungewöhnlichen Weinen auf sich aufmerksam.
Text von Christina Fieber · Fotos von Regina Hügli
Erich Machherndl gehört zu jener Sorte Winzer, die sich gut zu präsentieren wissen: Er ist eloquent, hat einen wachen Blick und wirkt selbstbewusst. Nach einem kurzen Wortwechsel mit ihm wird klar, dass er gerne über die Grenze seiner Weinberge hinausblickt. Wenn dem Wachauer Winzer etwas missfällt, tut er das auch ohne Umschweife kund.
„Was raus muss, muss raus“, pflegt er zu sagen, als wäre es ein probates Hausmittel gegen mentale Verstopfung. Er wirkt dabei weder verbittert noch bösartig – wäre er nicht schon mittleren Alters, würde man sagen, er sei eben ein wenig vorlaut.
Erich Machherndl ist Mitglied bei Vinea Wachau, der wohl renommiertesten heimischen Winzervereinigung – und auch dort nimmt er sich kein Blatt vor den Mund. In dem wertkonservativen Verein wirkt er wie ein seltener exotischer Vogel. Denn es ist nicht bloß seine Courage, die auffällt, sondern vor allem die Stilistik seiner Weine, die sich doch deutlich von der vieler seiner Wachauer Kollegen abhebt. Auch damit hält er nicht hinterm Berg: Auf seiner Homepage wirbt er mit dem Slogan „Die etwas andere Wachau“.
Was provokant wirken mag, hat pragmatische Gründe: „Ich will einfach keine Erwartungen enttäuschen“, meint er lakonisch. „Meine Weine sind zumeist trockener, spröder und uncharmanter, als man es von der Region gewohnt ist.“
Man könnte auch sagen, es sind Weine ohne Plüsch und Rüschen.
Wenn Interessierte zu ihm nach Wösendorf zum Verkosten kommen, warnt er sie gerne vor: „Meine Weine sind knochentrocken.“
„Ja ja, wir trinken nur trockene Weine!“
Nach dem ersten Schluck zeigen sich viele dann doch überrascht, wie trocken trocken sein kann.
Vordergründige Fruchtaromatik ist ihm ein Gräuel. „Mit der Frucht bin ich durch“, konstatiert er. Wissend, dass er damit nicht den Geschmack der Massen bedient.
Seine Weißweine von feinsten Wösendorfer Lagen sind so direkt und unverstellt wie er selbst. Schon bei den Federspielen trinkt man richtigen Wein – ungewöhnlich strukturiert und prägnant, keine Spur von Belanglosigkeit.
Selbst die Smaragde bleiben erfreulich schlank – kein Grüner Veltliner, der Barockorgien feiert, kein Riesling, der zum Schmachtfetzen gerät. Wenn es der Jahrgang zulässt, mit ausgeprägter Säure. Es sind Weine, die sich nicht beim ersten Schluck entblößen, sondern erst mit der Zeit ihr Können zeigen, Weine, die eine Dramaturgie besitzen.
Botrytis kommt ihm keine ins Haus, lautet sein einziges Dogma. Weißweine mit Edelschimmel, der unter bestimmten Umständen überreife Trauben befällt, galten in der Wachau lange Zeit als State of the Art und waren überaus erfolgreich. Die meisten Winzer sind davon längst abgekommen, aber einige schwören immer noch darauf. Botrytis gibt den Weinen auf natürliche Weise mehr Geschmeidigkeit und Extrakt, macht sie opulenter. Eine Stilistik, die viel Aufwand und Kunstfertigkeit erfordert: „Es ist eine markante Handschrift, aber halt nicht meine, dazu bin ich auch zu bequem“, meint er ein wenig kokett. Man brauche etliche Erntedurchgänge, um dann auch noch die faulen Beeren vom Boden aufzulesen, erklärt er, das sei ihm einfach zu mühsam. Er überlege eher, was er an Arbeitsschritten einsparen könne.
Machherndls Drang, alles zu hinterfragen und die Dinge anders anzugehen, liegt sicher auch in seiner Biografie begründet: Als in Folge des Weinskandals in Österreich der Exportmarkt drastisch einbrach, ließ jeder Winzer, der es sich leisten konnte, seine Söhne einen anderen Beruf lernen. Machherndl absolvierte eine Ausbildung zum Medizintechniker – zuletzt war er Sachverständiger auf dem Gebiet. Freilich habe er immer wieder daheim mitgearbeitet, wenn er von Wien heimkam, aber Winzer werden wollte er nie. „Im gleichen Hamsterrad wie mein Vater enden, nein, niemals!“, sei er damals überzeugt gewesen. „All die Plage rund um die Uhr, keine Urlaube und die Ehe oft lediglich eine Arbeitsgemeinschaft.“ Es habe für ihn reizvollere Vorstellungen gegeben, sein Geld zu verdienen. Doch dann kam 1998 alles anders: Der Vater wurde sechzig und konfrontierte ihn mit der Entscheidung: „Verkaufe, verpachte, übernimm es, tu was du willst, ich geh in Pension!“
Der Sohn übernahm – warum, weiß er bis heute nicht. Einige Jahre fuhr er noch zweigleisig, seit 2002 ist er nur noch Winzer. Mit Haut und Haaren.
Als Quereinsteiger glaubt er, auch einen anderen, oft konträren Blick auf die Weinbranche werfen zu können. Der Vater hat ihm dabei von Beginn an freie Hand gelassen – „ein seltenes Glück“, das er zu schätzen weiß. Nur ein Mal, viele Jahre später, als der Sohn 2007 von einem Tag auf den anderen entschied, auf Herbizide zu verzichten, hielt er es für nötig, einzuschreiten. Dem Junior kam damals eine Studie in die Hände, die erstmals das Herbizid Glyphosat auch für Menschen als bedenklich einstufte – von da an wollte er mit dem „Zeug“ nichts mehr zu tun haben. Glyphosat wird im konventionellen Weinbau gespritzt, um störende Pflanzen rund um die Rebstöcke zu vernichten.
Die bislang penibel gepflegten Weinberge nun so „verwildert“ zu sehen, jagte dem Senior dazumal kalten Schweiß auf die Stirn. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion rückte er schließlich mit dem Traktor aus, um wieder Ordnung zu schaffen. Eine einmalige Aktion. Inzwischen freut er sich über die blühenden Wiesen in den Weinbergen. Er sei es dann auch gewesen, der in Folge die Umstellung auf Biobewirtschaftung forcierte.
2018 wird der erste biozertifizierte Jahrgang sein. Auch das keine Selbstverständlichkeit in der Wachau, gibt es doch gerade einmal rund zehn zertifizierte Bioweingüter in der berühmten Anbauregion. Das schwierige Bewirtschaften in den steilen Terrassen und das wirtschaftliche Risiko schrecken viele ab. Machherndl glaubt trotzdem, dass Bio auch in der Wachau die Zukunft sein wird: „Es geht. Punkt“, ist er überzeugt „Die Weingärten sollten halt dafür bereit sein.“
Sie müssten langsam vorbereitet oder wie er es nennt „auf Diät gesetzt werden“. Ein Rebstock, der jahrzehntelang alles bekommen hat, was die Agrochemiekonzerne so anbieten, erlebt mit Bio erst einmal kalten Entzug. Viele namhafte Betriebe sind aber ohnehin am Weg dorthin.
Ausschlaggebend für die Umstellung war für Erich Machherndl der Nachweis, dass auch im Bioweinbau geringe Kupfermengen gegen die gefürchtete Pilzerkrankung Peronospora ausreichen: Kupfer scheint im Moment der einzig für Biobetriebe erlaubte wirksame Schutz vor der vernichtenden Erkrankung der Rebstöcke zu sein, Kupfer ist aber auch die Achillesferse des Bioweinbaus. Das Schwermetall gilt als nicht unproblematisch, weil es sich im Boden einlagert und toxisch auf Mikroorganismen wirkt. Machherndl bringt nach eigenen Angaben, wenn es sich nicht um ein komplett verregnetes Jahr handelt, nicht mehr als zwei Kilo Reinkupfer pro Hektar jährlich aus – weit unter den von der EU-Öko-Verordnung erlaubten sechs Kilo pro Hektar und Jahr.
Abgesehen vom Nutzen für die Natur komme Bioweinbau seiner spartanischen Arbeitsweise entgegen. Weniger Wuchs und Fruchtbildung, aber auch Dauerbegrünung statt offenen Böden ersparten ihm einige Arbeitsvorgänge und Traktorfahrten.
Mit der biologischen Bewirtschaftung geht auch eine zurückhaltende Behandlung im Keller einher, deren Grundlage spontane Vergärung mit eigenen Hefen darstellt. Das bedeutet auch, dass die werdenden Weine mitunter ein Eigenleben entwickeln dürfen und nicht auf eine Stilistik getrimmt werden. Gelesen werden reife, aber nicht überreife Trauben – die Zeit der Alkoholbomben sei vorbei. „Wir sind alle einmal dem Alkohol hinterhergelaufen“, erinnert er sich „es war ein regelrechter Wettkampf, wer die fetteren Weine produziert!“ Bis sie durch die Decke schossen.
Heute bevorzugt er die feine Klinge: möglichst trocken, straff und viel Säure. „Weine für Vieltrinker“, wie er sie gerne bezeichnet. Da es das von Natur aus nicht immer und mit zunehmender Klimaerwärmung vermutlich immer seltener spielt und Aufsäuern für ihn keine Option ist, kompensiert er die Säure mit Gerbstoffen – das gibt ihnen mehr Struktur. Alle seine Weine durchlaufen dafür Maischestandzeiten von einigen Tagen – bei Weißweinen ein eher unübliches Prozedere: Dabei werden die Trauben wie bei den Roten angequetscht und eingemaischt, dann vor der einsetzenden Gärung abgepresst. Einige Weine werden auch auf der Maische vergoren. Für Machherndl eine Stilistik, die den Grünen Veltlinern besonders gut steht und an ihre ursprüngliche Charakteristik erinnert. Sie geraten würzig, temperamentvoll, besitzen Biss und vor allem: Sie sind frei von vordergründiger Frucht.
Der Winzer experimentiert gerne ein wenig, oft entscheiden aber auch die Weine selbst, wohin es gehen soll. 2014 gab es auch schon mal einen maischevergorenen Grünen Veltliner Federspiel von der Lage Höll, einen wunderbar leichtfüßigen Wein mit gerade einmal 11,5 Prozent Alkohol, der sensorisch trotzdem alle Stücke spielt. Auch der Grüne Veltliner Steinwand Smaragd kommt jedes Jahr ein wenig anders daher. Es ist sein „Experimentierwein“, um Grenzen auszuloten – meist auf der Maische vergoren, mit geringen Schwefelmengen abgefüllt, immer quicklebendig und aufregend.
Die wildeste Version erscheint aber unter dem Namen „Pulp Fiction“ – ein frei erfundener Stoff aus Frührotem Veltliner und Gelbem Muskateller in Orange. Kein Schund jedoch, sondern ein clever unterhaltsamer Plot.
Weingut Erich Machherndl
Hauptstraße 1, 3610 Wösendorf
Tel.: 0664/450 01 62
www.machherndl.com