
Neusiedlersee DAC. Zunehmende Vielfalt, zunehmendes Profil
Entdecken Sie die Größe des Zweigelt doch einmal anhand der vielleicht noch etwas weniger bekannten Winzer vom Neusiedlersee.
Text von Willi Balanjuk
Der Neusiedler See mit seiner rund 300 km² großen Wasser- und Schilffläche ist das Zentrum und die Basis von Österreichs östlichstem Eck, welches 2001 in den erlauchten Kreis der UNESCO-Welterbe-Regionen mit signifikantem Weinbau erhoben wurde. Natur, Kultur, Sport und Kulinarik – gemeinsam mit Wein – offerieren entlang des Ost-ufers eine wohl einzigartige Vielfalt. Weltoffen und grenzüberschreitend sind zwei weitere Begriffe, für die diese Region steht. Wo einst ein Stacheldraht trennte, verbindet heute der Nationalpark.
Das gleichnamige Weinbaugebiet keltert Weine auf rund 120 bis 180 Metern Seehöhe. Die Schotterböden des Seewinkels variieren von sandig-quarzreich bis stark lehmig. Ähnlich ist die Parndorfer Platte geprägt. An den sanften Abhängen befinden sich darüber hinaus vereinzelte Kalk-Ton-Inseln, was ideale Voraussetzungen für eine Vielzahl an Rebsorten bietet. Die rund 2.000 Sonnenstunden laden nicht nur zum Naturerleben und/oder Sport am See ein, sondern verleihen auch den Trauben der regionalen Winzerinnen und Winzer ihre unverwechselbare Kraft und Fruchttiefe.
In dieser mit Rebsortenvielfalt ausgestatteten Region spielt der Zweigelt die erste Geige. Aufstieg und Bekanntheit so mancher Topwinzer sind mit dieser urtypischen österreichischen Rebsorte eng verknüpft. Da kennt man einen Josef Umathum aus Frauenkirchen, die Pannobile-Gruppierung aus Gols, die großen Andauer Winzer wie Erich Scheiblhofer, Hannes Reeh und Hans Schwarz, sicherlich auch einen Robert Keringer aus Mönchhof sowie den Salzl Seewinkelhof aus Illmitz. Alles Zweigelt-Könner mit hohem Bekanntheitsgrad. Doch es gibt derer noch viele mehr!
Seit 2011 keltern rund 120 Winzer des Nord-burgenlands Qualitätsweine mit besonderem Herkunftscharakter: Neusiedlersee DAC. Die Abfolge von großartigen Jahrgängen sowie individuelles Winzerwissen einer durchaus jungen Generation haben enorm zur Steigerung dieser gebietstypischen Weinqualität beigetragen. Heute werden rund 1,5 Million Flaschen des herkunftstypischen Neusiedlersee-DAC-Zweigelts vermarktet. Tendenz steigend – bei Mitgliedern, Flaschenanzahl und vor allem Reserve-Weinen. Höchste Zeit also auch für uns, uns diesen positiven Entwicklungen zu widmen. Gemeinsam mit dem regionalen Weinkomitee Neusiedlersee DAC haben wir unter dem Motto „Unbekannte Größe(n)“ die in der Region zahlreich vorhandenen kleiner strukturierten Betriebe zu einer Blindverkostung eingeladen und uns der Frage gewidmet: „Wie gut sind die Neusiedlersee-DAC-Zweigelt-Weine der (noch?) etwas weniger im Blickfeld der Allgemeinheit stehenden Winzerinnen und Winzer?“
Zur Einreichung zugelassen waren die klassisch ausgebauten Neusiedlersee-DAC-Zweigelt-Weine der Jahrgänge 2019 und 2018 sowie die Neusiedlersee-DAC-Reserve-Weine der Jahrgänge 2018 und 2017. Der Geschäftsführer des Vereins Neusiedlersee DAC, Torsten Aumüller, hat diese Probe organisiert. Verkostet wurde im Weingut Allacher Vinum Pannonia (Gols) bei fast schon strahlendem Sonnenschein und Blick auf den Neusiedler See bis hin zum Schneeberg.
Degustiert haben Martin Gesellmann (Weinhandel Kracher Fine Wine), Simon Schubert (Sommelier Restaurant Aend), Benjamin Mayr und Axel Brandelli (Weinhandel Del Fabro), Nordert Eismayer (Weinhandel Morandell) sowie der Autor selbst. Verkostet wurde blind in Riedel-Gläsern. Die Bewertungen sind ein Durchschnittswert aller Verkoster. Vor Beginn der Verkostung wurden mehrere Referenzweine der eingangs erwähnten etablierten Zweigelt-Winzer verkostet und diskutiert. Die Auswahl der vorgestellten Winzer basiert auf meinen Verkostungsnotizen und den unterschiedlichen Stilistiken, die von mir und der Jury präferiert wurden.
Die vinophile Rundreise der Geheimtipps beginnt in Gols, geht weiter über Mönchhof bis nach Halbturn. Über einen großartigen „kulinarischen Umweg“ in Frauenkirchen – vereinbaren Sie einen Termin mit Erich Stekovics – geht’s nach Illmitz und von Podersdorf wieder zurück nach Gols.
Jeder dieser Weinorte hat seine Historie. Das protestantische Gols verfügt wahrscheinlich über die höchste Dichte an Topwinzern und keltert Wein von rund 1.450 Hektar.
Mönchhof hat mit der Zisterzienserabtei Marienkron und deren Kurstätte sowohl weltlich als auch religiöse Angebote. Dazu kommt die steigende Zahl exzellenter Weingüter.
Das Schloss Halbturn – ein ehemaliges Jagdschloss und Sommersitz des Kaiserhauses – ist heute im Besitz von Markus Graf zu Königsegg-Aulendorf. Neben seinen großartigen Weinen findet man auch ein vielfältiges Kulturangebot. Über das ganze Jahr gestreute Ausstellungen und Schlosskonzerte laden zum Besuch ein.
Illmitz kann mit dem Sitz des Nationalpark-Zentrums als Ausgangspunkt für alle Aktivitäten im Nationalpark angesehen werden. „Der Ort der Weltmeister-Weine“, wie man am Ortseingang lesen kann, wird auch als Zentrum des Prädikatsweins angesehen. Dieser Anspruch wird heute
noch klarer erreicht. Der Ort wird auf der internationalen Weinbühne als Süßwein-Mekka angesehen.
Die Weingüter Kracher und Angerhof Tschida stehen in einem Jahr für Jahr neuen, aber sehr erfolgreichen Wettstreit um den Titel des besten Süßweinproduzenten. Auffallend jedoch, dass jüngst auch die Rotweine des Seewinkels - allen voran der Zweigelt - zusehends Beachtung finden - national wie international.
Abschließend geht's nach Podersdorf. Auch hier weht seit einigen Jahren ein "frischer Wind" - im Tourismus und bei den Winzern. Besonders auffallend: die zahlreichen und fast ganzjährigen Kost- und Einkaufsmöglichkeiten direkt ab Hof. Zweigelt gibt auch hier den (Rotwein)Ton an.
Zurück nach Gols, wo neben der Ortsvinothek die architektonischen Aspekte der neuen Keller, die in den letzten 15 Jahren gebaut wurden, einen zusätzlichen visuellen Anreiz in der Region bieten. Resümee:Der Jahrgang 2019 liefert eine hochwertige Serie an klassisch ausgebauten Neusiedlersee-DAC-Weinen, die sowohl viel Fruchtcharme in der Nase als auch Lebendigkeit am Gaumen verströmen.
Beim Jahrgang 2018 derselben Kategorie war eine größere Varianz der Qualitäten zu verkosten. Der sehr heiße Jahrgang war wesentlich schwieriger zu meistern. Gelungen ist es dennoch auch hier einer Mehrheit.
Die Neusiedlersee-DAC-Reserven der Jahrgänge 2018 und 2017 überzeugten hingegen wieder auf breiter Front. Hier wurden beim herausfordernden Jahrgang 2018 merklich die besten Chargen verwendet und vinifiziert. Eine ausgezeichnete Fruchttiefe und feinste Tannine zeugen von der Qualität dieser Region. Der Jahrgang 2017 wirkt in Summe etwas lebendiger und verfügt damit über einen leichter wirkenden Trinkfluss und Genuss. Beiden Jahrgängen ist die hohe Qualitätsdichte gemein.
Die Verkostung unterstreicht das breite Angebot und die Vielfalt der Region. In nahezu allen Weinorten entwickeln sich künftige Spitzenwinzer. Jeder der teilnehmenden Betriebe verfügt über einen Direktverkauf ab Hof, die meisten mittlerweile auch über Webshops. Zu Degustationszwecken ist man fast in der gesamten Region 360 Tage im Jahr herzlich willkommen, bei den Neusiedlersee-DAC-Winzern sowieso.
Neusiedlersee DAC 2019
Neusiedlersee DAC 2018
Neusiedlersee DAC Reserve 2018
Neusiedlersee DAC Reserve 2017