Braune Brause

Cola ist mehr als ein Getränk. Die dunkle Brause mit dem geheimnisvollen Inhalt galt seit jeher als flüssiger Inbegriff des American Way of Life.

Braune Brause

Aber jetzt kommen die europäischen Guerillas.

Text: Florian Holzer

Beatles oder Stones. Austria oder Rapid. Wein oder Bier, Scotch oder Bourbon, Apple oder PC, Demokraten oder Republikaner. Coke oder Pepsi. Manchmal im Leben war und ist es immer noch leicht, sich zu entscheiden, weil da nur zwei Möglichkeiten waren beziehungsweise nur zwei von Bedeutung oder ideologischer Strahlkraft.

Hinsichtlich Cola war die Entscheidung letztlich ziemlich egal, handelt es sich doch bei beiden Marken um ein braunes Getränk, das im sehr späten 19. Jahrhundert von jeweils amerikanischen Drogisten erfunden wurde, mit Zuckercouleur gefärbt ist, zu knapp 40% aus Zucker besteht, nur mehr sehr, sehr wenig Koffein, dafür aber Phosphorsäure (E338) enthält, die für den Geschmack dieser Limonaden hauptverantwortlich ist. Und auch, wenn man Coca-Cola nachsagt, die größte und umsatzstärkste Marke der Welt zu sein, so verdienen beide Konzerne doch ungefähr gleich viel Geld, nämlich ungefähr zehn Milliarden Dollar im Jahr. Eindrucksvoll, aber sicher noch lange kein Grund, sich für diese Limonaden zu interessieren.

Umso überraschender war es daher, als vor zehn Jahren ein neues Cola am Markt erschien, und zwar nicht eine der unzähligen Epigonen, die es in jedem Land dieser Welt gibt, dunkelbraune Diskont-Getränke in großen PET-Kanistern oder regional verankerte Pseudo-Colas mit obskurem Heimat-Appeal. Sondern eine Art Guerilla- und Szene-Cola, eine Limonade, die einerseits mit der kultigen Retro-Attitüde der deutschen Uralt-Marke Afri-Cola kokettierte, andererseits genau das Gegenteil aller anderen Colas dieser Zeit machte: nämlich eben nicht den Zuckergehalt kontinuierlich nach oben schrauben (oder ihn durch Aspartam ersetzen) und alle anderen Inhaltsstoffe – vor allem Koffein, vom Extrakt des Koka-blattes ganz zu schweigen – gänzlich entfernen oder nahe an die Nachweisbarkeitsgrenze disponieren. Dieses sogenannte Premium-Cola ging mit seinem Koffeingehalt sogar ans erlaubte Limit von 250mg pro Liter (Coca-Cola enthält 100mg Koffein pro Liter), beim Zucker liegt es zumindest ein bisschen unter dem Cola-Durchschnitt. Aber dafür ist sonst so ziemlich alles anders, als man das aus Cola-Storys so kennt, zum Beispiel schon einmal die Entstehungsgeschichte: 1999 verändert die deutsche Traditionsmarke Afri-Cola ihr Rezept und verärgert damit eine Gruppe von langjährigen Fans, die zuerst versuchen, den Getränkehersteller davon zu überzeugen, der alten Rezeptur treu zu bleiben und nach Scheitern der Verhandlungen im minimalen Umfang eigenes Afri-Cola unter der Bezeichnung Premium-Cola abfüllt – ein paar tausend Flaschen für ein paar Hamburger Imbissstände und Szenelokale; ein Kollektiv verwaltet die Agenden und wählt die Kunden aus; kein Logo, nur eine schlichte Inhaltsangabe in weißer Schrift auf schwarzem Etikett. Die Medien waren klarerweise begeistert und das Premium-Cola wurde zum urbanen Underground-Kult, mittlerweile gibt es auch schon Bier und Kaffee vom Kollektiv aus Hamburg.

Von diesem durch die Sezessionisten verursachten Interesse versuchte in Folge auch Afri-Cola zu profitieren, 2001 ließ man Wim Wenders einen Fernsehspot drehen, Film- und Kultursponsoring brachte die Retro-Marke einem geeigneten Zielpublikum näher, 2006 wurde sogar der sieben Jahre zuvor reduzierte Koffeingehalt wieder auf das erlaubte Maximum angehoben. Geschmacklich hebt sich Afri-Cola durch einen deutlichen, aber nicht unangenehmen Medizinalton vom klassischen Cola ab, Premium-Cola wirkt im Vergleich dazu weniger süß und durch eine leicht metallische, chlorige Note verhältnismäßig ungestüm. Einen relevanten Marktanteil konnte Afri mit etwa drei Millionen Litern pro Jahr bisher allerdings nicht erreichen, ebenso wenig wie den Kultstatus der Cola-Rebellen. Das gelang den Hamburger Studenten Lorenz Hampl und Mirco Wolf Wiegert ab 2002 mit ihrem Fritz-Kola zweifellos besser. Dieses Cola für Erwachsene – etwas weniger Zucker, aber ebenfalls 250mg Koffein pro Liter – schaffte es sogar in Wien, zum unverzichtbaren Ausstattungsdetail jedweder szenigen Bar, Bäckerei oder Quiche-Zentrale zu werden. Der heitere Name, das eindrucksvolle Logo in Form der Gesichter der beiden Gründer und die offensive Präsentation in Take-away-Kühlschränken gemeinsam mit diversen anderen unverzichtbar-urbanen Szenedrinks sind dafür sicher ebenso verantwortlich wie ein recht frisch-zitroniger, unkomplizierter, aber gehaltvoller Cola-Geschmack.

Und schon drängt eine neue Cola-Generation auf den Markt: pur, authentisch, biologisch – nicht unbedingt, was man im ersten Augenblick mit Cola assoziiert, aber trotzdem. Now Black Cola, das Neumarkter Lammsbräu einer Brauerei, die vor allem durch das in allen Biomärkten flächendeckend vertriebene Biopils Bekanntheit erwarb. Das Biocola enthält Biozucker, Biozuckercouleur, biologischen Guarana-Extrakt fürs Koffein und biologisches Colaaroma, dafür keine Konservierungsstoffe. Wunderbar, einziger Nachteil: Das Getränk schmeckt eben doch nach Cola-Surrogat und dürfte einer recht kleinen Publikumsschicht vorbehalten bleiben. Ähnliches muss man wohl über das im Vorjahr in Ravensburg kreierte Gletscher-Cola sagen, für dessen Geschmack Biokräuter, fair gehandelter Biorohrzucker sowie Guarana-Konzentrat verantwortlich sind – Gutmenschen-Cola mit Kräuterlimonadengeschmack

Da machte es das heimische Limonaden-Erfolgsunternehmen Red Bull schon ein bisschen schlauer. Was genau die Motivation war, 2009 in den schwierigen Cola-Markt einzusteigen, wird sicher auf irgendwelchen geheimen Business-Papieren zu lesen sein. Mit dem massiven Vordringen eines Energydrinks vom Coca-Cola-Konzern habe es aber angeblich nichts zu tun. Die Strategie des Red Bull-Cola war aber auf jeden Fall überraschend – Cola aus natürlichen Zutaten, sprich: aus Gewürzen. Galgant, Ingwer, Vanilleschote, Senfsamen, echtes Koffein aus der Kaffeebohne, Limette, Kolanuss, Kakao, Süßholz, Zimt und Nelke, Zitrone und Orange, Kardamom,
Muskatblüte, keine Phosphorsäure, keine Konservierungsstoffe, keine Farbstoffe, keine künstlichen Aromen. Was fast schon nach einer Art Gourmet-Cola klingt, konnte sich den Trick, der seinerzeit auch schon bei Red Bull und der ominösen Zutat Taurin funktionierte, aber auch diesmal nicht verkneifen: Nachdem in Red Bull Simply Cola eben auch Kokablatt enthalten ist, fanden einige besonders genaue Lebensmittelprüfer in Deutschland erwartungsgemäß einen Kokainanteil, der – siebentausend- bis zwanzigtausendfach verstärkt – vielleicht sogar Wirkung zeigen könnte. Das Getränk kam sofort auf den Index, die Gazetten glühten.

Ganz wurde der Prohibitions-Reiz damit jedoch nicht geweckt, die Marktanteile des Red Bull Simply Cola bewegen sich im recht stabilen Cola-Markt noch im eher homöopathischen Bereich. Was einem Erfolg vielleicht im Weg stehen könnte, ist der Geschmack, der doch recht stark an Kinderhustensaft erinnert, und die Tatsache, dass der Saft in schmale Aludosen gefüllt wird anstatt in Flaschen, deren Gestaltung gerade im hochpreisigen Edelcola-Segment keine unwesentliche Rolle spielt.

Das Cola-Spektrum wurde jedenfalls bedeutend größer, Hegemonien bröckeln – wenn auch nicht marktrelevant, dann zumindest thematisch – und als moderner Individualist kann man mittlerweile auch auf dem Cola-Sektor Stil und Unangepasstheit beweisen. Und wenn man bedenkt, dass Cola seinen Ursprung in mit Koffein und Kokablatt-Extrakt versetztem französischem Rotwein hatte, dann ist die Evolution des Produktes mit den neuen Nischen-Colas ja vielleicht noch lange nicht abgeschlossen.

Verkostung

Coca-Cola
Spar
500g, € 1,45
Der Klassiker und Inbegriff der Marke schlechthin. Knapp die Hälfte des heimischen Limonadenmarktes wird von Coca-Cola gehalten, nach diversen Änderungen der Rezeptur und des Zuckergehalts erweist sich die braune Brause derzeit als malzig-harmonisch und recht süß, die Phosphorsäure prägt das Geschmacksbild wesentlich.

Pepsi Cola
Spar
500g, € 1,45
Herausforderer seit jeher, weltweit stets ein bisschen hinter Coca-Cola, in gesamten Umsatzzahlen dank Diversifizierung im gesamten Softdrink- und Fastfood-Bereich aber die besseren Zahlen. Seit den 1980ern versucht Pepsi mittels Star-Kampagnen ein jugendliches, sportliches Publikum anzusprechen; geschmacklich etwas dunkler, malziger als Coke.

Afri-Cola
Spar
500g, € 1,45
Afri-Cola gibt es in dieser Form seit 1931, zu dieser Zeit wurde es als deutsches Anti-Cola ins Rennen geschickt. Interessant wurde das Getränk schließlich in den 1960ern dank Flaschendesign und Kampagne von Charles Wilp. Afri wirkt im Direktvergleich dichter und konzentrierter als die großen Colas, gesäuert wird mit Zitronensäure, das Geschmacksbild ist komplex und ein wenig medizinisch, aber nicht unangenehm.

Fritz-Kola
Spar
500g, € 1,45
Alternatives Konzept – dunkle Farbe, viel Koffein, relativ konzentrierter Cola-Geschmack, von Zitronensäure recht deutlich unterlegt. Generell beschreitet das Hamburger Szene-Cola keine neuen Aroma-Pfade, sondern erweist sich als sehr Coke- oder Pepsi-ähnlich, nur eben stärker.

Now Black Cola
Spar
500g, € 1,45
Junges Biocola des Neumarkter Lammsbräu, seit einigen Monaten in Bioläden stark vertreten. Das Koffein stammt aus biologischem Guarana, geschmacklich ist die dunkle Brause allerdings recht gewöhnungsbedürftig, wirkt ein wenig hausbacken.

Red Bull
Simply Cola
Spar
500g, € 1,45
Ein überaus interessantes Cola-Konzept vom Marktführer in Sachen Energydrink: Das Simply Cola wird aus wirklichen Gewürzen gebraut, auf Zusätze oder Konservierungsmittel wird verzichtet, das Koffein stammt aus der Kaffeebohne. Wenn man Zimt oder Gewürznelken nicht mag, wird man mit diesem ein wenig an kalten, prickelnden Punsch erinnernden Getränk aber seine Schwierigkeiten haben.

Kofola
Spar
500g, € 1,45
Das in den 1960ern kreierte Cola aus Tschechien erlebt seit der Ost-Öffnung in ganz Osteuropa einen erstaunlichen Aufschwung, seit kurzem ist es auch in Österreich erhältlich (bei Gourmet Cornelius). Als Nebenprodukt der Kaffeeröstung stammt das Koffein klarerweise aus der Bohne, weniger Zucker und keine Phosphorsäure. Geschmacklich eher eigenständig.

Gletscher Cola
Spar
500g, € 1,45
Junges Cola-Projekt aus Ravensburg: Koffein aus fair gehandeltem Guarana, Süße aus fairem Rohrzucker, das Aroma von Kräutern – ein Cola-artiges Getränk fürs gute Gewissen, geschmacklich eher als hochfärbige Kräuterlimonade einzustufen.

Premium Cola
Spar
500g, € 1,45
Begründer der Kategorie hochpreisiger Nischen- und Szene-Colas, bis heute seinem etwas alternativen Geschäftsmodell (man kann Premium-Cola nicht einfach beziehen, die Kunden werden nach Prüfung vom Kollektiv ausgewählt) treu geblieben. Geschmackliches Vorbild ist Afri Cola, Premium unterscheidet sich aber durch weniger Zucker und Säuerung mittels Phosphorsäure, was ein etwas metallisches, „exzentrisches“ Aromenbild abgibt.