Golf: Kurioses, Kulinarisches und Cross over

Crossgolf, Crossover Golf, Extremgolf, Urban Golf, Straßengolf, Swingolf – egal unter welchen Namen sie auftreten, total trendy sind sie allemal. Zurück zu den Anfängen heißt die Golf-Variante einer jüngeren Generation.

Text von Helga Baumgärtel Foto: beigestellt

Es ist so eine Art Turnschuhgolf. Denn man spielt in einfacher Sportkleidung, ohne den Zwang der „Etikette“, mit leichten Sportschuhen, außer in den Bergen, wo man „Geländefähiges“ mit Profilsohlen trägt. Wie hier, zum Beispiel, im Nationalpark Hohe Tauern. „Was ist das?“, frage ich Stefan und schaue irritiert auf einen Schläger, der so irgendetwas zwischen Eishockey und Eisen 7 darstellt.

„Damit kannst du nur siebzig Meter weit schlagen“, sagt mein Trainer und teet auf einem grünen Mattenfleck einen orangefarbenen Spezialball auf.

Wir befinden uns auf – immerhin – 2.600 Metern über dem Meeresspiegel. Das Panorama ist überwältigend: Zwei Dutzend Dreitausender-Gipfel lugen herein, vier Gletscher, umgeben vom Nationalpark.

Links, am Wanderweg, pfeift ein Murmeltier – im Übrigen auch auf Ihr Handicap bei dieser modernen Art von Golf! Hier zählt kein Handicap, hier zählt allein der Spaß an Spiel und Bewegung.

Crossover Golf eignet sich bestens „for family and friends“. Keine festen Regeln, nur Sicherheitsabstand wird verlangt.

Dreihundert Meter bergabwärts landen wir in der Rudolfshütte – mit Schwimmbad, zwei Restaurants und 81 Zimmern. Erst im vergangenen Jahr wurde hier der Parcours mit neun Löchern, sprich Zielen, bergabwärts konzipiert.

Drunten im Tal in Zell am See steht das 30 km entfernte „Mutterhaus“, der Salzburger Hof mit gleich zwei Golfplätzen der „alten Art“. Und für Unermüdliche gibt es im Fünfsternehotel eine hypermoderne 3-D-Indoor-Golfanlage. Gespeichert mit 62 der berühmtesten Golfplätzen der Welt, vom St. Andrews Old Course bis Pebble Beach.

Back to the roots. Aber zurück zum Crossover Golf, zurück zu den Ursprüngen. Wann genau man begonnen hat, dieses faszinierende Ballspiel auszuüben, ist nicht mehr festzustellen.

Denn bereits die alten Römer spielten ihr „Paganica“, indem sie einen mit Federn gefüllten Lederball durch die römische Landschaft trieben. Während die Holländer „kolvten“, einen Holzball mit einem geformten Holzscheit über das Eis ihrer zugefrorenen Kanäle jagten. Die Franzosen schließlich spielten ihr „Jeu de mail“ mit einem langstieligen Holzhammer und einem hölzernen Ball.

Was den Franzosen im Jahre 2012 den Swingolf bringt. Eine Art „Querfeldein-Spiel“ durch Frankreichs Provinzen, das selbst vor dem Eiffelturm keinen Respekt zeigt. Man spielt nämlich auf dem Asphalt einfach unten durch. Und kann dann natürlich oberirdisch bekanntes Kulinarisches genießen.

Wo alles begann. Irgendwann zu Beginn des 16. Jahrhunderts begann man droben im kalten Schottland die Bälle – mit Federn gefüllte Lederungetüme – mittels einer Art Hirtenstab über die Schafweiden und Hochmoore zu treiben. Das war nicht mehr als eine am unteren Ende mit Eisen verstärkte Holzstange, mit der man, sollte es erforderlich sein, auch einen unliebsamen Gegner aufspießen konnte.

Aber dem König, James II., missfielen die Schlägerschwinger. Denn statt Bogenschießen zu üben wie die Engländer, jagten die Schotten die Bälle über Stock und Stein der schottischen Hochmoore und kümmerten sich einen Dreck darum, dass der König schon 1457 das Golfspielen verboten hatte.

Gott sei Dank bestieg 150 Jahre später ein Schotte als James I. den englischen Thron. Und brachte seine Golfschläger gleich mit! Damit war auch England im Golffieber. Überall entstanden Clubs, die sich dem neuen Querfeldein-Sport verschrieben.

Allerdings hatte der König, den sie wegen seiner Leidenschaft für das Ballspiel den „Golfkönig“ nannten, nicht nur seine Schläger, sondern auch sein aufbrausendes Temperament mit nach London gebracht. Und wenn mal ein Golfschlag daneben ging, zertrümmerte er wutentbrannt den Schläger. Kennen WIR das vielleicht???

Das Material. In jener Zeit, als die Bälle das Fliegen lernten, waren Golfschläger nicht viel mehr als am unteren Ende mit Eisen bewehrte, zurecht gebogene Holzstangen. Und auch heute spielt man in der unbeschädigten Natur mit einfachen Schlägern. Meistens nur mit einem. Der genügt zum Vorwärtskommen in der Natur oder auch in den Straßenschluchten von Großstädten.

Es muss nicht immer das Teuerste sein, das das Spiel erst zum Spaß werden lässt. Schließlich kauft man ja auch keinen Bechstein-Flügel, um den Flohwalzer zu üben.

Golf at the Pub. Aber bei diesem Spaß-Golf der neuen Art gibt es noch zwei ganz wichtige Elemente: gutes Essen und gutes Trinken. Und das war schon immer so. Die ersten Golfclubs nämlich wurden in schottischen Tavernen gegründet.

Der Allererste von einem gewissen Duncan Thoma, und zwar im The White Hart Inn außerhalb von Edinburgh. Das war 1741. Die Taverne lag direkt neben dem Richtplatz der Stadt, wo man Übeltäter an den Galgen knüpfte

Der Spielplatz war, wie die meisten Golfplätze jener Zeit, ein flacher, von Gras überwucherter Acker. Aber wie alle Spielplätze jener Zeit immer in unmittelbarer Nähe zur Kneipe.

The White Hart Inn in Edinburghs Grassmarket gibt es immer noch. Die Ales und Whiskys sind vorzüglich, nur das Essen ist für Menschen vom Kontinent etwas gewöhnungsbedürftig. Spezialität des Hauses ist „Haggis“, ein mit Innereien gefüllter Schafsmagen!

Es muss a Wein sein. Noch immer ist die berühmteste Golftrophäe der „Britsh Open“, eine Rot-weinkanne. Der Rotwein wurde preiswert aus dem Bordeaux eingeführt. Schließlich gehörte Aquitanien 800 Jahre lang zu England. Und die Preise bestanden meist aus Naturalien: ein halbes Schwein, Hühner oder bei ganz wichtigen Turnieren vielleicht sogar mal ein ganzer Ochse als Siegerprämie.

Da hat sich nicht allzu viel geändert. Crossover Golf – oder wie man es nennen mag – endet bei lustigem Beisammensein und bei Speis und Trank.

Und in Australien? „Play to the Pub“ nennt man das in Australien, wo es natürlich auch zahllose Crossover-Clubs gibt. Das Team, das zuletzt spielend die Kneipe erreicht, zahlt die erste Runde.

In Deutschland, im fränkischen Weißenburg, wird einmal im Jahr das berühmte „Bratwurst-Open“-Turnier ausgetragen, zu dem Spieler, die Spaß am Crossover Golf haben und fränkische Bratwürste und Bier lieben, sogar aus Amerika anreisen.

Von Orient zu Okzident. Crossover überspringt alle Grenzen. Selbst im indischen Mumbai wurde gerade der erste Golfclub dieser Art gegründet.

In Österreich sind es ein gutes Dutzend. Die Eifrigsten sind wahrscheinlich der „Swingolf“-Club in Linz an der Donau oder die „Universal Golfers“ von Götzis in Vorarlberg, die sich als Wahrspruch „Where no one golfed before“ auf das Panier geschrieben haben.

In Deutschland gibt es bereits an die 25 Vereinigungen. In Amerika sind es hunderte – darunter sogar ein FKK-Club. In vielen der Clubs spielt man nicht nur über Stock und Stein, sondern auch, wie in San Francisco und New York, durch die Straßenschluchten. In manchen Clubs spielt man auf Flachdächern, in trockenen Kanälen oder auf stillgelegten Fabriksgeländen. Einfach überall, wo der Ball rollt.

Einer der beliebtesten Clubs sitzt auf Mallorca, 35 Clubs sind es in der Schweiz. Und selbst in Russland hat sich diese Art von Golf durchgesetzt. 33 Golfclubs waren es nach letzter Bestandsaufnahme.

Über Stock und Stein zu spielen, hatte sogar noch Winston Churchill erlebt. Er machte fast jedes Jahr Urlaub im „Reid’s Palace“, dem berühmten Grand Hotel auf Madeira, und spielte Golf auf einem Platz, den es nicht mehr gibt. Damals war es nicht mehr als ein Acker. Und das Greenfee kostete umgerechnet nur fünf Englische Pfund. Aber die erließ man dem berühmten Feriengast ohnehin.

Crossover Golf ist nicht aufzuhalten. Selbst der Mond ist nicht mehr sicher. 1971 schlug der US-Astronaut Alan Shepard den ersten Ball über den Mondstaub. Mit einem Eisen 7…!

Puristen der alten Golfschule werden aufheulen. Am 1. April – kein Aprilscherz – fand im geheiligten St. Andrews, der Wiege des Golfsports, das erste

„St. Andrews Golf Festival“ der Freegolfer statt.