
Corona-Flucht nach Dubai
In den harten Lockdown-Zeiten zur Jahreswende war Dubai die Nummer-eins-Destination für alle, die dem grauen Alltag entfliehen wollten. Neben Sonne, Meer und Wüste lockt in Dubai eine wirklich herausragende Gastronomieszene.
Text von Hans Mahr
In Wahrheit ist natürlich alles künstlich hier in Dubai. Der Sand kommt aus Ostasien und wurde hier zum Strand aufgeschüttet. Die Beduinenzelte sind durch Wolkenkratzer ersetzt worden, und nachdem das Öl auch nicht ewig sprudeln wird, setzt man auf den Tourismus.
Aber in Pandemie-Zeiten hat sogar das künstliche Dubai seinen Reiz. Denn die Restaurants sind offen, die Shoppingmalls ebenso, für Lockdown-geschädigte Mitteleuropäer also ein Quell der Lebensfreude. Auch wenn, da sei das Scheichtum gelobt, Masketragen absolute Pflicht ist – im Hotel, auf der Straße, in der Shoppingmall und auch im Restaurant bis zum Tisch.
Was aber den Gourmet oder Gerne-Esser zum Dubai-Fan macht, ist die Fülle des Angebots. Jedes prominente Restaurant hat hier einen Ableger – vom asiatisch-peruanischen Nobu über das italienische Il Borro Tuscan Bistro bis zur brasilianischen Steak-Legende Fogo de Chão. Die Gastronomie am arabischen Golf ist also eine „kleine Welt, in der die große ihre Probe hält“, um es literarisch auszudrücken. Das Zitat stammt übrigens nicht von Grillparzer, sondern von Friedrich Hebbel, als er in Österreich residierte.

Der Pandemie-Flüchtling kann also Sonne statt Nieselregen und internationale Gastronomie statt Take-away im Einweckglas genießen. Scheichs, steuerflüchtige Großverdiener und zahlungskräftige Touristen sind eine veritable ökonomische Basis für Toprestaurants aus aller Herren Länder.
Am meisten liebt diese Klientel die asiatische Küche. Wer sich für japanische, thailändische, chinesische und indische Küche begeistert, ist hier fast so gut aufgehoben wie in New York, London oder Paris. Was noch hinzukommt, ist das qualitativ hochwertige Angebot an Fisch und Fleisch, an Obst und Gemüse. Alles, was aus dem Meer stammt, kommt frisch auf den Tisch, und alles andere wird tagtäglich mit Emirates aus der ganzen Welt eingeflogen.
Und diese Frische schmeckt man. Das japanisch-peruanische Nobu im ansonsten eher grauslichen Hotel Atlantis auf der künstlichen Palme ist sogar besser als das New Yorker Original. „Ich habe da auch einen meiner besten Chefköche“, sagt Nobu Matsuhisa, Chef und Mastermind der inzwischen 47 Standorte umfassenden Nobelkette. Und dieser Chefkoch darf sogar eigene Kreationen auf die Speisekarte setzen: zum Beispiel eine Kokos-Ceviche vom Wolfsbarsch vor dem obligaten Nobu-Signature-Dish, dem in Miso marinierten Kabeljau, der Scheibchen für Scheibchen mit der Gabel verzehrt werden kann. Beruhigenderweise tragen die Kellner ihre Maske über Mund und Nase (und nicht lässig unterm Kinn wie öfters zwischen erster und zweiter Covid-Welle in unseren Breiten) und ist die Bestuhlung um die Hälfte ausgedünnt worden, sodass der nächste Gast deutlich mehr als zwei Meter entfernt sitzt.
Ähnliches ist auch vom Zuma zu berichten, dem asiatischen Hotspot des Deutschen Rainer Becker gleich beim Trade Center. Dort gibt’s die kreativsten Sushi- und Maki-Variationen: Aal mit Avocado, Crab mit Chili und Wasabi – und für den, der sich’s leisten kann (und will), Lachs und Tuna-Tatar mit Kaviar. Im örtlichen Hakkasan geht’s mehr chinesisch zu, unbedingt die Dim-Sum-Premium-Platte bestellen. Die Teigtaschen sind gefüllt mit Lime-Lobster, Abalone und Chicken, King Crab mit Morcheln und einem getrüffelten Wagyu Beef – diese Platte gibt’s im Haupthaus in London nicht.
Aber es ist nicht alles Gold, was glänzt, jedenfalls trifft das auf den goldenen Buddha im Ableger der Pariser Buddha-Bar zu. Der schaut zwar gütig auf die anwesenden Gäste, das hilft aber nicht bei der Qualität der Speisen. Außer der Tom-Yam-Gung-Suppe bleibt alles fad und uninspiriert, offensichtlich kontrolliert niemand, was da so aus der Küche herausgetragen wird, sind eh nur Touristen da heute und kein Scheich …
Noch zwei Tipps für Asia-Liebhaber auf Urlaub am Golf: Im neuen, architektonisch phänomenalen, von Zaha Hadid gestalteten ME Hotel hat vor Kurzem ein Roka eröffnet. Mit einem Robata-Grill, wo auf Holzkohle zubereitet und dann rundherum am Tresen serviert wird – von Chicken Wings mit Honig über Lammkoteletts mit Sesam und Gurke bis zum Beef-Filet mit Chili und Ginger. Und vor einem halben Jahr hat das Indochine eröffnet, eine Filiale des New Yorker In-Restaurants, das sich auf die vietnamesische Küche spezialisiert hat. Chefkoch Steven Nguyen ist als Kind vor dem Vietnamkrieg nach Kanada geflüchtet und präsentiert eine Art neue vietnamesische Küche. Am besten beginnt man mit einer Beef-Pho mit Reisnudeln, Ribeye und Rindermark (bitte extra bestellen!), gefolgt von einem Wolfsbarsch im Bananenblatt mit Ginger und Chili, und zum guten Abschluss ein fantastisches Hanoi Crispy Chicken, das mit einer Zitronengras-Chili-Paste bestrichen und gegrillt worden ist. „Natürlich habe ich auch die besten Kreationen aus New York mitgebracht, aber ich kann mich hier in Dubai auch richtig austoben und Neues ausprobieren – wie zum Beispiel diese Pho!“, sagt Chef Steven und freut sich über die Auszeichnung als „bestes neues Restaurant“ in Dubai.
An zweiter Stelle auf der Beliebtheitsskala steht natürlich die italienische Küche – und die ist hervorragend hier am Golf vertreten. An der Spitze mit Massimo Bottura, dessen Osteria Francescana in Modena zwei Mal zum besten Restaurant der Welt gewählt worden ist. Im neuen W Hotel präsentiert er seine Dependance Torno Subito („Bin gleich wieder da“), am besten das relativ preiswerte 60-Euro-Menü bestellen: sechs Gänge mit Scampi-Cocktail, Tintenfisch, Tagliatelle, Schweinsbacken und Tiramisu, zwar nicht Sterneküche wie zu Hause, aber Trattoria vom Feinsten.
Gegenüber vom Burj al Arab, dem 6-Sterne-Hotel in Segelform, das zu einem der Landmarks von Dubai geworden ist, hat sich ein Florentiner eingenistet. Das Il Borro Tuscan Bistro serviert alles wie zu Hause in Florenz, vom Salzkrustenfisch bis zur Bistecca. Im Waldorf Astoria lässt Heinz Beck (zwar Deutscher, aber als bester italienischer Koch in Rom
verehrt) seine berühmte Fagotelli Carbonara servieren, da ist die Sauce in den Nudeln drinnen und nicht drauf. Und wer’s richtig romantisch haben will, der reserviert im Pierchic auf einem Bootssteg am Jumeirah Beach – am besten ein frühes Dinner, damit man den Sonnenuntergang über dem Meer noch bei einem Glas Prosecco genießen kann.
Die kreativste Italo-Küche kommt allerdings aus New York. Das Marea gegenüber vom Central Park hat letztes Jahr seinen ersten Ableger im Financial Center in Dubai eröffnet. Für Eingeweihte wird hier die beste Pasta serviert: Gnocchetti mit sizilianischen roten Garnelen, die Fusilli mit Babyoktopus, die Spaghetti mit Clams und Calamari und die Rigatoni mit einer sündigen Bolognese vom Wagyu Beef. Ein ganzer Branzino in der Salzkruste mit einer Kapern- oder Limonensauce als Hauptspeise rundet das italienische Mahl perfekt ab.
Nach dem vielen Fisch und den anderen Meeresfrüchten kommt natürlich Appetit auf ein ordentliches Steak auf. Und die werden nach Dubai aus allen Himmelsrichtungen eingeflogen: Kobe aus Japan, Wagyu aus Australien, Charolais aus Frankreich, Hereford-Beef aus England, New York Strip aus amerikanischen Landen, die Auswahl am Golf ist wirklich beeindruckend. Am besten zu genießen in den Steakrestaurants der großen Hotels vom Atlantis übers Royal Méridien bis zum JW Marriott – gut sind sie alle, bei dieser Qualität kann man aber wenig falsch machen.
Auch beim – durch sein ballettartiges Salzstreuen bekannt gewordenen – Türken Nusret Gökce gibt’s gute Steaks, mit einer Einschränkung. Sein mit Goldstaub „verziertes“ Meisterwerk ist nicht nur schweineteuer, sondern auch unerträglich dekadent. Bayern-Kicker Franck Ribéry hat sich damit glücksstrahlend ins Internet gestellt – und damit auch ins Abseits. Ins Tor treffen und Geschmack haben sind eben zwei verschiedene Dinge …
Wenn man das Steak nicht nur horizontal auf dem Teller, sondern vertikal vom großen Spieß geschnitten haben will, dann pilgert man ins Dubai Centre. Dorthin hat sich die brasilianische Churrascaria Fogo de Chão verpflanzt, die Brasilianer wie Touristen in Rio de Janeiro schätzen gelernt haben. Auf der Terrasse wird Filet, Ribeye, Sirloin, Flank, Beef Ribs oder auch Lamm und Chicken von den langen Spießen direkt auf den Teller gehobelt – und das mit Blick auf das Burj Khalifa, das höchste Gebäude der Welt, für diese Aussicht müsste man eigentlich extra zahlen.
Auch griechisches Mittelmeergefühl wird in Dubai serviert. Der Mykonos-Club Nammos hat am Jumeirah Beach eine Dependance gestartet, leider genauso teuer und wenig serviceorientiert wie der Original-Club auf der Insel. Besser isst man da im Gaia im Financial Centre, wo sich der Gast die Fische an der Theke aussucht und sich dann bei der Zubereitung zwischen roh / gebacken mit Tomaten und Kräutern / gegrillt über der Holzkohle / gedünstet in der Salzkruste entscheiden kann.
Hier in Dubai ist alles auf Hochglanz poliert, „Fine Dining“ at its best eben. Aber es existiert auch noch, man glaubt es kaum, ein einfaches, ein „normales“ Fischrestaurant am Strand, und zwar auf dem Weg zur aufgeschütteten Palme, im Beachclub Vista Mare. Ibn AlBahr heißt es und gehört tatsächlich den Fischern dieser Bucht. Die wackeligen Holztische und Plastiksessel auf der Terrasse sind ein wahrer, aber auch willkommener Gegenpol zur schicken Restaurantszene. Ja, es ist auch laut, der Wein eher ungenießbar, dafür das Bier kalt. Aber das Ibn AlBahr ist eines der wenigen übrig gebliebenen Strandbuden, wo die Einheimischen (natürlich nicht die Scheichs) zu Mittag oder am Abend mit der Familie oder mit Freunden hinpilgern. Auf der langen Eistruhe liegen frisch gefangen Snapper, Yellow Tail, Tuna, Shrimp, Oktopus, Crab, Lobster und was das Meer sonst am frühen Morgen hergegeben hat. Nach der Qual der Wahl wird das ausgesuchte Meeresgetier in die Küche befördert und landet wenig später mit diversen Saucen an der Seite auf dem Tisch. Und richtig froh wird man, wenn nachher der Preis genannt wird. 50 Euro für eine vierköpfige Familie – das hat in Dubai Seltenheitswert.
Origineller wird’s nur, wenn man eine Dreiviertelstunde in die Wüste fährt, ins Bab Al Shams Desert Resort. Dort kann man endlich auch richtig arabisch essen, im Al Hadheerah. Das Buffet ist rund um eine Feuerstelle angelegt, und geboten wird alles, was mit arabischer Küche in Verbindung gebracht werden kann: acht verschiedene Brotsorten, Salat mit Hummus, Taboulé und Couscous, dann Kebab, Kofta und Chicken – und wenn das Resort voll ist, wird auch ein ganzes Lämmchen am Spieß gedreht. Zugegeben, das ist ein natürlich touristisches Vergnügen, aber macht auch richtig Spaß.
Noch ein Hinweis zum Schluss: Natürlich ist ein Dubai-Urlaub ohne Besuch des Burj Khalifa mit seinen 828 Metern undenkbar – wenn es da nicht die langen Warteschlangen vor dem Aufzug gäbe, der den Besucher in den 128. Stock bringt. Einfacher ist es, Lunch, Afternoon Tea oder Dinner im Restaurant At.mosphere ganz oben zu buchen. Das hat einen eigenen Aufzug, mit Reservierung gibt’s keine Wartezeit, und der Blick auf Dubai und das Meer ist tatsächlich überwältigend.
Stimmt, dieses Dubai ist eine künstliche Schöpfung. Ja, Sonne und Meer sind trotzdem angenehm. Und wenn man Topgastronomie genießen und endlich einmal wieder hemmungslos gut essen gehen will, dann ist man am Golf richtig. Gerade in Corona-Zeiten.
Asiatisch:
Hakkasan
www.hakkasan.com
Buddha-Bar
www.buddhabar-dubai.com
Indochine
www.indochinedxb.com
Italienisch:
Torno Subito
www.tornosubitodubai.com
Il Borro Tuscan Bistro
www.ilborrotuscanbistro.ae
Social
www.waldorfastoria.com
Pierchic
www.pierchic.com
Brasilianisch:
Fogo de Chão
www.fogodechao.com
Steak:
Seafire
www.atlantis.com
Rhodes Twenty10
www.rhodestwenty10.com
Prime68
www.jwmarriottmarquisdubailife.com
Nusr-Et
www.nusr-et.com
Griechisch:
Nammos
www.nammos.gr
Fisch:
Ibn AlBahr
www.ibnalbahr.me
Arabisch plus Ausflug in die Wüste:
Al Hadheerah im Bab Al Shams Desert Resort
www.babalshams.com
Beste Aussicht:
At.mosphere im Burj Khalifa
www.atmosphereburjkhalifa.com