Grüne Perlen

Die kleinen sind die feinen. Die Blütenknospen des Kapernstrauchs werden in mühevoller Hand arbeit geerntet. Eingesalzen und fermentiert, sorgen sie für die typische feinherbe mediterrane Würze.
Text von Andrea Karrer Illustration von Peter Jani
Dass sich auch das kleinste Knöspchen für ein großes Fest eignet, beweisen die Bewohner der Liparischen Insel Salina jedes Jahr aufs Neue. Das ganze Dorf hilft mit bei der Sagra del Cappero, dem jährlichen Kirchweihfest der Kaper in der ersten Sonntagnacht im Juni. Seit Tagen haben Hausfrauen und Gastronomen für das Fest vorgekocht. Fragt man eine Salineserin, wofür sie Kapern verwendet, schaut sie erstaunt: „Eigentlich für alle Speisen. Heute gibt es Pasta mit Kapernsauce, Pizza mit Kapern, Pane cunzato – ein eineinhalb Meter langes Brot, belegt mit Tomaten, Endivien, Thunfisch und Kapern –, jungen Bauernkäse mit Kapern, Kartoffelsalat mit Kapern und Zwiebeln, Kapern-Salsa für Crostini, Hühnersalat mit Kapernmayonnaise, Paprikaschoten mit Kapernfüllung und, und, und.
Schon bei Tagesanbruch müssen die Frauen wieder zwischen den Kapernsträuchern arbeiten. Kapern sind anspruchslos und brauchen wenig Wasser. Sie wachsen in den Küstenregionen und auf den Inseln des Mittelmeers. Es sind die Blütenknospen eines niedrigen Strauchs namens Capparis spinosa, der vor allem in die Breite wächst. Seine Zweige erreichen eine Länge von bis zu zwei Metern. Fünf Kilo Kapern in einer Saison kann ein Strauch einbringen. Alle vier bis acht Tage wird abgeerntet, von Ende Mai bis Ende August. Und die Arbeit ist anstrengend: Gebückt pflücken Frauen mit geübtem Griff jede einzelne Knospe so, dass der kurze Stiel nicht abbricht. Zwischen den ovalen Blättern prangen ab und zu auch zauberhafte rosafarbene und weiße Blüten mit langen lila Staubfäden. Sie haben nur ein äußerst kurzes Leben: Sie öffnen sich nach Sonnenaufgang und sind am Mittag bereits verblüht. Zurück bleibt der weibliche Fruchtknoten, der sich zur Frucht entwickelt – zum Kapernapfel, der in unseren Breiten vielen bloß als besonders große, dicke Kaper gilt. Cucunci heißen die Früchte auf Salina.
Am Ende des Tages werden die größten Kapern von den anderen getrennt, alle schließlich in Bottiche gefüllt und gesalzen. Auf 100 Kilo Kapern kommen 20 Kilogramm grobes Meersalz, jeweils in Schichten aufgestreut. Die Kapernbottiche stehen in dunklen Steinkellern, damit sich die Knospen nicht doch noch öffnen. In den ersten Wochen werden sie immer wieder durchgemischt und umgeschichtet, um den Gärungsprozess zu stoppen. In dieser Phase entwickeln die Kapern ihr charakteristisches Aroma. Die unangenehme Bitterkeit verschwindet, es entwickelt sich der typisch herbe und leicht scharfe Geschmack. Die einst hellgrünen Knospen verfärben sich oliv-farben bis violett.
Ungefähr einen Monat müssen sie reifen, dann werden die noch nicht sortierten Exemplare nach Durchmesser gruppiert. Dafür gibt es heute eine Maschine. Und das ist die einzige Modernisierung in diesem Arbeitsprozess: Die Kapern kommen in einen Trichter und rollen dann über ein Fließband, dessen Löcher unterschiedlich groß ein- gestellt werden können. Jede Handelsgröße hat einen offiziellen Namen (siehe *).
Die sortierten Kapern werden nun endlich kon- serviert, entweder in trockenem Meersalz oder in Öl. Bei uns erhält man Kapern meist in Salzlake oder in Essig. Die Salineser schütteln sich allerdings bei der Vorstellung von Essig zu Kapern. Das verderbe völlig den Geschmack. Allein die robusten Cucunci, die Kapernäpfel, vertragen die Säure sehr gut. Trockenes Salz lässt die Kapern fester werden, anders als in Lake, in der sie aufweichen.
„Das Salz wird vor der Verwendung gründlich abgespült, aber dann ist das Aroma pur und rein, ohne unerwünschte zusätzliche Aromen. Idealerweise legt man sie für einige Stunden in Wasser, das man in dieser Zeit am besten mehrfach wechselt. Bei warmen Speisen gibt man Kapern erst kurz vor dem Servieren bei, da sie sonst zerfallen und ihr Aroma verlieren“, erklärt der Spitzenkoch Alexander Mayer, der mit seiner Partnerin Nathalie Le Reun vor knapp zwei Jahren ein Bistro mit Edelgreißlerei in der Wiener Innenstadt eröffnet hat. „Und noch etwas ist entscheidend für die Feinheit des Aromas – die Größe. Dabei gilt: je kleiner, desto besser! Die kleinste und teuerste Sorte wird in Südfrankreich ,Nonpareilles‘ (im Geschmack ohne Gleichen) genannt.“ Nicht verwechseln sollte man die Knospen mit den sogenannten Kapernbeeren, die vergleichsweise derb und zudem meist in Essig eingelegt sind. Sie sind keinesfalls ein Ersatz. Denn eine perfekte Kaper sollte zart, fein und subtil schmecken“, schwärmt Mayer und erklärt weiter: „Brauche ich aber eine leichte Säure in der Speise, wie z. B. für eine Gremolata, verwende ich auch gerne kleine in gutem Essig eingelegte Kapern, die man natürlich kurz abwaschen muss.“
Und dann sind da noch die Blätter der Kapernsträucher. Eine ziemlich neue Delikatesse, denn früher wurden sie einfach entsorgt. Jetzt legt man die Blätter zuerst in eine Salzlauge und lässt sie für einige Zeit ruhen. Sobald sie den richtigen Biss haben, werden sie in Öl eingelegt. Als Zutat eigenen sie sich bestens zu Pastagerichten, Tomatensalat oder auf gebackenen Auberginen. Man kann sie aber auch panieren. Eine anstrengende Arbeit, der Gaumen freut sich dafür umso mehr.
Auch auf Pantelleria, dem kleinen, südwestlich von Sizilien gelegenen Eiland, gedeiht die Kaper von alters her, und ungefähr so lange währt auch der Zwist, auf welcher der beiden Inseln denn nun die weltbeste Kaper wächst. Die Antwort wird wohl lauten, dass es keinen oder so gut wie keinen Unterschied in der Qualität gibt. Einig sind sich die Insulaner, dass es die Massenware aus Marokko, Tunesien oder der Türkei an Finesse nicht mit den Früchten aus Salina oder Pantelleria aufnehmen kann.
* Die „Nonpareilles“, die Unvergleichlichen, wie sie international genannt werden, vereinen Milde mit markant-würziger Finesse. Auf Salina nennt man die Minikapern poetisch „Occhi di pernice“, Rebhuhnaugen. Sie werden als „Capperi cunzati“ in Olivenöl, Lorbeer, Rosmarin und Peperoncini, je nach Rezept auch mit etwas Weinessig, eingelegt und für Salate oder Vorspeisen verwendet. Immer noch sehr klein und fein sind die „Surfines“ (7–8 mm) und die „Capucines“ (8–9 mm). Über eine mittlere Größe verfügen die „Finos“ (12–13 mm). Ziemlich groß, so um die 11 bis 13 Millimeter, sind die „Mifines“, während es die „Communes“ oder „Capotes“, die man in Süditalien auch „Capperoni“ nennt, auf einen Durchmesser von 14, 15 Millimeter und darüber bringen. Sie werden oft mit Stiel konserviert, sind ausgesprochen herzhaft im Geschmack, eignen sich gut zum Kochen wie speziell für Pesto und sollten gehackt werden.
Seeforelle in Zitronen-Kapernsauce mit Karfiol & Kapern-Gremolata * Rezept von Alexander Mayer
Zutaten für 4 Portionen
4 Seeforellenfilets à 150g (entgrätet, ohne Haut)
braune Butter
Fleur de Sel
Zitronen-Kapernsauce:
2 Bananenschalotten, geschält und feinwürfelig geschnitten
Butter zum Braten
150 ml trockener Weißwein
50 ml Noilly Prat
2 cl Sherryessig
200 ml Fischfond (alternativ Kalbs- oder Hühnerfond)
2 EL Salzkapern, gut abgespült
Zitronenthymian
Saft und Abrieb von einer unbehandelten Zitrone (z. B. Meyer, Amalfi etc.)
Salz
Cayennepfeffer
120 g kalte Butterstücke
Estragon, gehackt
Kapern-Gremolata:
100 g Blattpetersilie, grob gehackt
25 g kleine in Essig eingelegte Kapernbeeren
25 g Pinienkerne, geröstet
etwas Zitronenschale, gehackt
3 EL Olivenöl
Karfiol:
500 g größere Karfiolröschen
Zubereitung
Seeforellenfilets:
Seeforellenfilets halbieren, in braune Butter einlegen, bei 58 °C 8–10 Minuten, je nach Dicke der Filets, glasig confieren und mit Fleur de Sel würzen.
Zitronen-Kapernsauce:
Schalotten in Butter glasig anrösten, mit Weißwein und Noilly Prat ablöschen, etwas reduzieren, Sherryessig dazugießen, mit Fond auffüllen, Kapern und Zitronenthymian beifügen und etwa 10 Minuten bei geringer Hitze einkochen lassen. Zitronensaft sowie -abrieb unterrühren, mit Salz und Cayennepfeffer abschmecken, aufkochen lassen. Anschließend mit der kalten Butter zu einer sämig-schaumigen Sauce mixen bzw. montieren. Passieren und eventuell noch mit Zitrone abschmecken. Zum Schluss den gehackten Estragon unterrühren.
Kapern-Gremolata:
Alle Zutaten gut vermengen.
Karfiol: Karfiolröschen in Salzwasser knackig blanchieren und in Olivenöl kurz anrösten.
Finish:
Seeforelle und Karfiol mittig auf einem etwas tieferen Teller anrichten, mit der aufgeschäumten Zitronen-Kapernsauce großzügig überziehen und die Kapern-Gremolata auf den Karfiolröschen verteilen.
Mit Baguette servieren.
Mayer & Freunde
Bistrot, Feinkost & Chef’s Table
Jasomirgottstraße 4, 1010 Wien
Tel.: 01/532 32 76
www.mayerundfreunde.com
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